Der Weg ist Übung


Dies ist meine Umschreibung des daoistischen Lehrsatzes


„Der Weg ist das Ziel“,


der heute inflationär, floskelhaft, ohne jede Tiefe in jeder Illustrierten und bei jeder Plauderei gebraucht wird, man gibt sich „den touch“. Das macht den großen Unterschied der chinesischen zur westlichen Philosophie aus: Sie ist nicht intellektuell "zu verstehen", sondern wird durch Üben und in der Handlung praktiziert und wirkt so auf Dauer auch auf das Geistige. Alle Übungswege, Kampfkünste, Kalligraphie, Teezeremonie, Blumen stecken, Yoga..., tragen dies in sich und waren auch deshalb immer hoch geachtet, weil sie dem ganzen Menschen dienen – Körper und Geist.

 

Mentale Aspekte des Übens


Wichtig für die Herangehensweise an „das Üben“ eines Weges, an Tai Ji, ist eine offene Haltung, die Leere des Gefäßes, welches man füllen möchte. Es bedarf mentaler Ausdauer, Zähigkeit und Selbstdisziplin, der Bereitschaft, zur Anstrengung („bitter essen“, wie es im Wu Shu auch ausgedrückt wird), dabei aber innerer Gelöstheit und vor allem Geduld.

 

Ein Weg von tausend Li beginnt mit dem ersten Schritt


(ein nicht ganz so abgenutztes chinesisches Sprichwort).

Der Weg ist lang und das Ziel nicht schnell zu erreichen. Hast, Leistungsdruck, ein Zuviel-Wollen sind nicht förderlich. Beständiges Lernen und Üben im Hier und Jetzt, volle Konzentration bringen einen weiter.

Ein schöner Vergleich zum Erlernen von Tai Ji ist das Erlernen eines Instruments: Mit ein bis zweimal pro Woche üben wird nicht viel erreicht. Durch mehr Übung gelingt mehr, die Musik erklingt und macht Freude. Wer für sich selbst übt,spielt und Freude hat, wird von selbst mehr üben; wer bestimmte Standards erfüllen will oder Musik studiert, übt mehrere Stunden am Tag.

In China gibt es eine ganz andere Übungskultur, wie im Westen. In Parks, auf freien Flächen, auf Hügeln, am Stadtrand üben viele täglich, was ihnen Freude macht. Qi Gong, Tai Ji und andere Wu Shu Stile, aber auch westliche Standard-Tänze wie z.B. Jazz-Dance. Es ist normal, wenn sich jemand hinstellt und Schreie ausstößt, weil dies zu seinem Qi Gong gehört, oder einfach, in Meditation versunken, sitzt oder steht.

Es ist normal, dass eine alte Frau Schwertform übt. Diesbezüglich besteht eine große gegenseitige Akzeptanz. Diese Übungskultur ist sehr förderlich und ich habe die Menschen als innerlich freier empfunden als bei uns.

Imagination als Übungstechnik

 

ist im Qi gong und Tai ji äußerst wichtig. Die Vorstellung von z.B. Kreisen, einer Kugel, vom Angriff eines Gegners hilft die Bewegung richtig auszuführen. Auf manche Bilder, die Lehrer anbieten, kann sich der Schüler/die Schülerin schwer einlassen. Öfters versuchen, konzentrieren ist es wert.

Das Bild, die Vorstellung lenkt wiederum die Konzentration und hilft sich vom Unwesentlichen wie z.B. störenden Gedanken, zu trennen.

 

Denken wir an etwas vor dem wir uns fürchten, treten alle anderen momentan eigentlich vorhandenen Dinge in den Hintergrund. Denken wir an ein sehr schönes Erlebnis, fühlen wir uns gut obwohl der gegenwärtige Moment erst einmal nicht so empfunden wurde.

 

Vor allem im Qi Gong können durch Imagination stärkere energetische Zustände erreicht werden und diese nach und nach auf die Bewegungen in den Formen übertragen werden.

 



Selbst- Disziplin im Übungsraum


Alle Regeln im Übungsraum dienen dazu, Disziplin und vor allem Selbstdisziplin zu halten und somit ein ungestörtes, konzentrierte Lernen und Üben zu ermöglichen.

Wer später dazukommt, grüßt Raum und Anwesende durch Verbeugung, lässt den Alltag damit hinter sich, macht leise seine Lockerungsübungen und nimmt dann am Unterricht teil.

Alle sollten einander gegenüber eine respektvolle Haltung zeigen und sich gegenseitig im Lernen und Üben unterstützen. Traditionell herrscht in den Schulen der Kampfkünste eine sehr strenge  Diziplin und Hirarchie. Das hat große Vorteile! 

Bei uns wird Tai Ji meist von Erwachsenen gelernt, die durch Familie und Beruf einen anstrendenden Alltag haben. Entspannung und Konzentration auf sich selbst, Freude an Bewegung und neuen Bewegungsmöglichkeiten stehen an erster Stelle. Ich sehe jeden in seiner Selbstverantwortung, wie intensiv er einsteigen möchte, wieviel er selbst übt.